D A S K A P I T A L
Deutsche Volksausgabe / Sozialdemokratische Partei Deutschlands
Das Kapital, Band I, 1914
1.
Das Kapital Kritik der politischen Oekonomie von KARL MARX Erster Band Buch I: Der Produktionsprozeß des Kapitals Volksausgabe Herausgegeben von KARL KAUTSKY STUTTGART Verlag von J.H.W. Dietz Nachfolger, G.m.b.H. 1914
XLVIII, 768 S.
2.
III Titel
V Gewidmet [...] Wilhelm Wolff.
VII Inhaltsverzeichnis.
XIII Vorwort des Herausgebers. Karl Kautsky, Berlin, März 1914.
XXXVI Vorwort zur ersten Auflage. Karl Marx, London, 25. Juli 1867.
XL Nachwort zur zweiten Auflage. Karl Marx, 24. Januar 1873.
1 Der Produktionsprozeß des Kapitals.
3 Erster Abschnitt. Ware und Geld.
104 Zweiter Abschnitt. Die Verwandlung von Geld in Kapital.
133 Dritter Abschnitt. Die Produktion des absoluten Mehrwertes.
261 Vierter Abschnitt. Die Produktion des relativen Mehrwertes.
447 Fünfter Abschnitt. Die Produktion des absoluten und relativen Mehrwertes.
471 Sechster Abschnitt. Der Arbeitslohn.
500 Siebter Abschnitt. Der Akkumulationsprozeß des Kapitals.
701 Register. Einleitung.
707 Verzeichnis aller im ersten Band des „Kapital“ zitierten Werke.
720 Namenregister.
740 Sachregister
3.
Druck: Hamburger Buchdruckerei und Verlagsanstalt Auer & Co. in Hamburg
Erschienen am 18. April 1914
Verlagseinband: Rotbrauner Halbfranzband mit goldenem Rückentitel
Preis: 5,50 Mark broschiert, 6,50 Mark gebunden
Auflage:
Bis zum Ersten Weltkrieg feierte das Bürgertum die Belle Époque. Elektro- und chemische Industrie, Trusts und Kartelle, aggressiver Kampf um Absatzmärkte in aller Welt sorgten für rapides Wirtschaftswachstum. 1913 fand die letzte Überakkumulationskrise statt.
1910 begann die mexikanische Revolution. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands zählte 1913 über eine Million Mitglieder. Sie rückte zunehmend nach rechts, bis sie 1914 den deutschen Angriffskrieg unterstützte.
Der nationalistische Rausch ergriff auch die Arbeiterklasse. Die (Zweite) Sozialistische Internationale konnte den Ersten Weltkrieg nicht verhindern.
Österreich-Ungarn erklärte am 28. Juli 1914 Serbien den Krieg. Die deutsche Kriegserklärung folgte am 1. August an Russland und am 3. August an Frankreich.
Am 14. März 1913 jährte sich der Todestag von Karl Marx zum 30. Mal. Das deutsche Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst vom 19. Juni 1901 besagte:
„§. 29. Der Schutz des Urheberrechts endigt, wenn seit dem Tode des Urhebers dreißig Jahre und außerdem seit der ersten Veröffentlichung des Werkes zehn Jahre abgelaufen sind [...] §. 34. Die Schutzfristen beginnen mit dem Ablaufe des Kalenderjahrs, in welchem der Urheber gestorben oder das Werk veröffentlicht worden ist“ (Deutsches Reichsgesetzblatt, 1901, Nr. 27, S. 227 – 239).
Damit endete am 31. Dezember 1913 der urheberrechtliche Schutz des ersten Bandes des Kapitals.
Die Austromarxisten Max Adler, Otto Bauer, Adolf Braun, Rudolf Hilferding, Karl Renner und der russische Archivar Dawid Borissowitsch Rjasanov machten am 1. Januar 1911 der SPD einen Vorschlag über „Die Werke von Karl Marx nach Erlöschen des Urheberschutzes“. Sie wünschten sich einerseits eine wissenschaftliche Gesamtausgabe der Marxschen Werke und andererseits populäre Ausgaben für Arbeiter, Politiker und Gewerkschafter. „[I]n erster Linie wird man eine Volksausgabe des ersten Bandes des ‚Kapitals‘ ersehnen, eine Ausgabe, in der alle fremdsprachigen Bezeichnungen und Zitate übersetzt sind, und in der Anmerkungen die Feststellung von Marx, so zum Beispiel über den Arbeiterschutz, weiterführen.
Die Ausgabe soll mit einem Register, mit einer biographischen Einleitung und mit einer Anleitung zum Studium des ersten Bandes des „Kapitals" versehen sein.“
Die SPD wollte vollendete Tatsachen schaffen. Sie wollte anderen Verlagen zuvorkommen und eine Revisionismusdebatte in der Partei über die richtige Marx-Exegese verhindern.
Verlagseinband
Ganzseitige Ankündigung des Dietz-Verlags im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel vom 6. April 1914
Ganzseitige Ankündigung der Volksausgabe von Band eins des Kapitals im Vorwärts, dem Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, vom 19. April 1914
Der Verleger Heinrich Dietz schrieb am 12. Januar 1911 als „offiziöse Mitteilung“ an Karl Kautsky: „Unsere Parteileitung hat im Prinzip beschlossen, Marx' Kapital bis Ende 1913 herauszugeben. Mit den Vorbereitungen wurde Dietz betraut, der, gleichfalls im Einverständnis mit der Parteileitung, Kautsky als Herausgeber bestellte.“
Karl Kautsky (1854—1938) galt nach Friedrich Engels‘ Tod als der führende Intellektuelle der zweiten Internationale und hatte bereits 1887 Karl Marx' Oekonomische Lehren. Gemeinverständlich dargestellt und erläutert bei Dietz veröffentlicht. Die von der SPD beschlossene Kapital-Ausgabe erschien im Parteiverlag Dietz und wurde in der Parteidruckerei Auer hergestellt - in hervorragender Qualität im Vergleich zu den Meissner-Auflagen dieser Zeit.
Für David Rjazanov sollte der Apparat einer Volksausgabe das Kapital aktualisieren: „Literaturangaben, wo Marx Bücher zitiert, die den ‚gegenwärtigen‘ Stand der Technischen Entwicklung zeigen; Neue Daten aus der Geschichte der Fabrikgesetzgebung, der Technik, der Großindustrie; Ich bin bereit diese Arbeit auf mich zu nehmen, sowie die Einleitung, wie man das Kapital am besten studirt. Ich will dabei verwerten meine jetzt mehr als zwanzigjährige Erfahrungen als Lektor über ‚Kapital‘ und Popularisator für die Arbeiter. Sehr zweckmäßig wäre es, auch diese Einleitung für die Gewerkschafter interessant zu machen, und für diese jene Partien hervorzuheben, die für die ‚Praktiker‘ von eminenter praktischen Wichtigkeit sind. Überhaupt konnte man sehr leicht in Noten und kleinen Ergänzungen eine Menge Thatsachen und Erscheinungen registrieren, um den Arbeitern aus dieser Ausgabe eine Encyclopädie der kapitalistischen Produktionsweise [zu] machen. “ Rjazanovs Vorschlag wurde abgelehnt.
Die neue Kapital-Ausgabe erschien am 18. April 1914, drei Monate vor Beginn des Ersten Weltkriegs. "Aus historischen und Nützlichkeitsgründen lasse ich das 'Kapital' in Hamburg setzen und drucken; was 1867 unserer Bewegung die Grundlage gab, wird 1914 die Aufklärung fortsetzen. Und Hamburg soll die Ehre behalten, bei dieser Arbeit mitgewirkt zu haben", schrieb Dietz am 8. Oktober 1912 an Kautsky (Graf, S. 271).
"Es lag nahe, die neue Ausgabe als einen Neudruck der letzten von Engels veranstalteten, der fünften, herzustellen", schrieb Kautsky im Vorwort (S. XIII). Doch würden "seit der letzten, noch von Marx selbst herausgegeben Auflage, der zweiten, sich von Auflage zu Auflage die Druckfehler mehren". Er habe 150 "sinnstörende Druckfehler in der fünften Auflage gezählt" (S. XIV). Deshalb habe er "die zweite Auflage und keine spätere zur Grundlage des herausgegeben Textes" gemacht (S. XIV). Er vergaß zu erwähnen, dass die dritte und folgenden Auflagen noch urheberrechtlich geschützt waren.
Zusätzlich zur zweiten Auflage hat Kautsky "eine Reihe erheblicher Verbesserungen" berücksichtigt, die Engels in der dritten und vierten Auflage vorgenommen habe. Außerdem habe er mit Hilfe der Handexemplare von Marx und Engels im SPD-Archiv "Aenderungen und Zusätze aufnehmen können, die von den bisherigen Auflagen nicht berücksichtigt waren" (S. XV). Seine Haltung der französischen Übersetzung "gegenüber war eine andere als die von Marx und Engels". Er habe Elemente daraus nicht nur übernommen, "inwieweit sie einen wissenschaftlichen Fortschritt bedeutete[n]", sondern auch um den deutschen Text "leichter verständlich zu gestalten" (S. XVII).
Die fremdsprachigen Zitate in den Fußnoten "zu übersetzen, war unumgänglich für eine populäre Ausgabe" (S. XXX). Die "l[oco] c[itato] in den Quellenangaben wurden durch die Buchtitel ersetzt. Kautsky nahm auch eine Korrektur verschiedener Zitate vor und eine weitere "Reinigung von Ausdrücken, die aus fremden Sprachen entnommen waren" (S. XX). Die englische Maße und Münzen rechnete er nicht in deutsche Einheiten um, aber Fahrenheit in Celcius. Die Namens- und Sachregister stammen von Rjasanov (S. XXXI).
Die Sozialdemokratische Partei warb in ihren wichtigsten Zeitungen und Zeitschriften umgehend für die Neuerscheinung.
Das Werk kostete broschiert 5,50 Mark, gebunden 6,50 Mark. Der konkurrierende Meissner-Verlag hatte den Preis seiner sechsten Auflage von neun auf fünf Mark gesenkt. Damit war die Dietz-Ausgabe mindestens 0,50 Mark teurer, aber sie war den anastatischen Nachdrucken von Meissner weit überlegen. Die broschierte und die Halbfranz-Ausgaben von Dietz waren 0,50 Mark teurer als die broschierte und die in Leinen gebundene Meissner-Ausgaben, während die Halbfranz-Ausgabe von Dietz eine Mark billiger war als die Halbfranz-Ausgabe von Meissner. Im selben Jahr 1914 veröffentlichte Meissner das Kapital in siebter Auflage.
Am 28. Juli 1914 erklärte Österreich-Ungarn Serbien den Krieg, der Beginn des Ersten Weltkriegs.
Danach erschienen weder bei Meissner, noch bei Dietz weitere Auflagen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs.
Eigenwerbung von Karl Kautsky für seine Ausgabe von Das Kapital in der vom Dietz-Verlag herausgegebenen Die neue Zeit vom 17. April 1914
Anzeige in der sozialdemokratischen Satirezeitung des Dietz-Verlags, Der wahre Jacob, vom 1. Mai 1914, wiederholt am 30. Mai 1914 und 11. Juli 1914
In einer frühen Besprechung in den Sozialistischen Monatsheften vom 21. Mai 1914 schreibt der Ökonom Conrad Schmidt (1863-1932) von einer "gut ausgestatteten Volksausgabe" (S. 638), kritisiert dann aber vor allem die Werttheorie.
Literatur:
Angela Graf, J.H.W. Dietz 1843-1922. Verleger der Sozialdemokratie, J.H.W. Dietz Nachfolger, Bonn, 1998
Carl-Erich Vollgraf, "Editionen im Wind ihrer Zeit: Die Volksausgaben von Band III des Kapital durch die Kautskys 1929 und das IMEL 1933/34", in: Beiträge zur Marx-Engels-Forschung. Neue Folge, 1998, S. 61