Karl Marx, das Kapital, Volksausgabe bei Kiepenheuer (1932)

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Schutzumschlag und Leinenband von Georg Salter, Halblederausgabe des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds

 

 

Fast zeitgleich, aber unabhängig von Kautskys Volksausgabe der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und der Volksausgabe des Moskauer Marx-Engels-Lenin-Instituts veröffentlichte der Verlag Gustav Kiepenheuer im Frühjahr 1932 in einer neuen Reihe Wissenschaftlicher Volkausgaben den ersten Band von „Das Kapital“. Sie unterscheidet sich von den beiden anderen dadurch, dass sie den Text nicht in der von Friedrich Engels „in ziemlich weitgehendem Maße umgestaltet(en)“ (S. 27) vierten, sondern in der zweiten Ausgabe von letzter Hand übernimmt, so Karl Korsch im Geleitwort. Denn das „Kapital“ gehöre nach über 60 Jahren „bereits der Geschichte“ an, es sei also unnötig, „den ursprünglichen Marxschen Text“ den „in einer späteren Entwicklung hervorgetretenen neuen Tatsachen“ anzupassen, wie dies Engels und Kautsky getan hätten (S. 28).

 

Der marxistische Theoretiker und Politiker Karl Korsch (1886-1961) war Rechtsprofessor, einen Monat lang Justizminister in Thüringen, Reichstagsabgeordneter und Chefredakteur des KPD-Organs „Die Internationale“. 1926 wurde er aus der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) ausgeschlossen. Er beschäftigte sich vor allem mit den Ursachen für das Scheitern der Revolution nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland und mit dem aufkommenden Stalinismus. In „Marxismus und Philosophie“ (1923) wandte er „das materialistisch-dialektische Prinzip M(arx)ens auf die gesamte Geschichte des Marxismus an“ („Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung“, XI/1925, S. 79).

 

 

Die Herausgeber der neuen Ausgabe von „Das Kapital“ verfolgten das Ziel, „der Schaffung einer zugleich treuen und für jedermann lesbaren Ausgabe des Marxschen ‚Kapital‘“. In diesem Sinne einer Volksausgabe wurden ein Teil der Fußnoten gestrichen, fremdsprachige Zitate übersetzt und Anglizismen beseitig (S. 32.). Es geht keine Rede davon, dass auch die Herausgabe des zweiten und dritten Bands geplant war. Vielmehr erklärt Karl Korsch ausführlich, dass der erste Band „den Eindruck der Ganzheit macht und ‚nirgends eine Lücke verspüren läßt‘“, weil er auch für den zweiten und dritten Band vorgesehene Themen schon behandele (S. 13.) Außerdem gibt das Geleitwort ausführlich Ratschläge, in welcher Reihenfolge sich unerfahrene Leser das Werk aneignen können.

 

 

Wäre eine Herausgabe des zweiten und dritten Bands beabsichtigt gewesen, so war sie auf jeden Fall nicht mehr möglich: Karl Korsch musste sich bei der Machtergreifung der Nazis 1933 ins Exil retten, der Verlag Kiepenheur erhielt am 12. Januar 1934 ein Schreiben der Geschäftsstelle des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, „das den Vertrieb weiterer dreier Werke untersagte“, darunter „Karl Marx: Das Kapital“ (Sabine Röttig, „‘... bleiben Sie wie bisher getrost in Dichters Landen und nähren Sie sich redlich‘. Der Gustav Kiepenheure Verlag 1933-1949“, in: Historische Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Archiv für Geschichte des Buchwesens, Band 58, S. 19).

 

 

Der Schutzumschlag und der Einband des Buchs wurden von Georg Salter (1897-1967) entworfen, einem der bedeutendsten Buchgestalter der Zwischenkriegszeit. Sein Schutzumschlag für „Berlin Alexanderplatz“ von Alfred Döblin (1929) ist zu einem Klassiker geworden. Für sein Renommee spricht, dass er den Schutzumschlag von „Das Kapital“ auffällig auf der Vorderseite signieren konnte.

 

 

Das Werk erschien auch als undatierte Ausgabe der Berliner Verlagsgesellschaft des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds mit dem Copyright-Vermerk Gustav Kiepenheuer Verlag 1932, davon eine Luxusausgabe im Halbledereinband. Nach dem Krieg wurde die Ausgabe des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds 1952 wiederveröffentlicht, im Jahr 2000 druckten der Verlag Parkland Köln und 2009 der Anaconda-Verlag Köln sie nach. Karl Korschs Geleitwort wurde 1969 auch gekürzt in der sehr erfolgreichen Ausgabe des Frankfurter Ullstein-Verlags übernommen.

 

 

Das Kapital, Band I

Volksausgabe, 1932

1.

KARL MARX DAS KAPITAL KRITIK DER POLITISCHEN ÖKONOMIE UNGEKÜRZTE AUSGABE NACH DER ZWEITEN AUFLAGE VON 1872 GUSTAV KIEPENHEUER VERLAG BERLIN
768 S.

2.

5 Geleitwort zur neuen Ausgabe, Karl Korsch, Berlin, 28. April 1932

34 Zur Ersten Auflage

39 Zur Zweiten Auflage

47 Erstes Buch : Der Produktionsprozess des Kapitals

719 Karl Marx über den Gang seiner politisch-ökonomischen Studien und ihr allgemeines Ergebnis (aus „Kritik der politischen Ökonomie“, 1859)

723 Eigennamen im „Kapital“

734 Verzeichnis der zitierten Werke

748 Münzen, Gewichte und Maße

749 Fremdwörter im „Kapital“

3.

Schutzumschlag und Einbandentwurf von Georg Salter Copyright 1932 by Gustav Kiepenheuer Verlag A.G. Berlin Druck von Oscar Brandstetter, Leipzig [Abteilung Jakob Hegner]

Auflage: 5.000 Exemplare

Bedruckter Ganzleineneinband mit Schutzumschlag

 

 

Literatur:

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Sabine Röttig, „... bleiben Sie wie bisher getrost in Dichters Landen und nähren Sie sich redlich“. Der Gustav Kiepenheure Verlag 1933-1949, in: Historische Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Archiv für Geschichte des Buchwesens, Band 58

Carl-Erich Vollgraf, Editionen im Wind ihrer Zeit: Die Volksausgaben von Band III des Kapital durch die Kautskys 1929 und das IMEL 1933/34, in: Beiträge zur Marx-Engels-Forschung Neue Folge 1998, S. 61-96

 

 

Nach Beständen der Karl Marx Memorial Library Luxembourg

 

 

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